Dienstag, 14. Oktober 2003



als ich damals die berufsausbildung zum reprofotografen abschloss, dachte ich, jetzt hätte ich einen beruf, eine berufung. entwickelte mit den fachleuten, mit denen ich über die jahre zusammenarbeitete, eine art elitäres gefühl. eine mischung aus handwerksehre und dem bewusstsein, dass der beruf ein gewisses mass an selbstaufgabe, die häufig in wunderlichkeit mündete, voraussetzte. heute sehe ich mich um und entdecke von all dem nichts mehr.

wo seid ihr? seid ihr alle, wie ich, zu verwaltern geworden? zu hausmeistern der digitalen dilettanz? verfasst auch ihr, im innern, solch weinerliche bankrotterklärungen?



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Eigentlich nicht. Ganz im Gegenteil. Seit ich vor über zehn Jahren meine Setzerlehre abgeschlossen habe, ist so gut wie kein Tag vergangen, an dem ich das in ihr erworbene Wissen nicht hätte brauchen können. Allein schon die Tatsache, einen Gesellenbrief zu besitzen, verschafft mir eine gewisse innere Ruhe. Das Wissen um korrekte Typographie, Gestaltung, Stile und Formen half mir sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der journalistischen Arbeit täglich weiter. Was ich damit sagen will: Man kann sich seinen Stolz bewahren. Vielleicht sollten wir froh sein, dass wir überhaupt noch was lernen konnten und dass wir uns diese Identität ausborgen durften. Es ist bis heute noch so: Mit Setzern kann ich fast immer sofort. Es ist eine wertvolle Grundlage.

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das mit der grundlage ist sicher richtig. der einzige andere druckvorlagenhersteller in meiner abteilung ist auch mein bezugs-/eichpunkt.
ach, vielleicht bin ich auch nur etwas schwermütig, weil ich heute abend gerade von den alten zeiten erzählte, als es in der druckerkantine noch bier und schnaps gab...

heute werde ich nach einzelhandelstarif bezahlt und manchmal fühle ich mich auch so.

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Haha. Ich hab auch noch mit ner Reprokamera Halbtonvorlagen gerastert, die so gross war wie n VW Käfer. In die Dunkelkammer hatten wir n Autoradio mit abgefuckten Boxen installiert und hässlichen Punkrock aufgedreht. Bier gabs draussen auf der Feuertreppe. Der Boss hat sich da nie reingetraut. Hatte Angst um seine parfümierte Aura.

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genau. so in der art...


im hintergrund: autovertikalkamera klimsch sm-3
im vordergrund: delirium '91

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Mir kommt das auch sehr bekannt vor (Reprovorbereitung, 1991 ausgelernt). Da gab es übrigens auch noch Bier in der Kantine und jeden Freitag nach der Mittagspause wurde nix mehr gearbeitet, sondern Sekt gekippt. Aber wenn ich heute tagtäglich am Mac sitze und Katalogseiten kloppe, fühle ich mich nicht so, als ob ich einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesellschaft leiste.

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Letzte Änderung: 06.11.24, 22:40
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